Das TUSCULUM wird seit 1994 vom Studentenwerk Dresden als Studentenhaus betrieben. 2019 feiert das Studentenwerk sein 100. Gründungsjubiläum und das Studentenhaus seinen 25. Geburtstag. Die folgende Ausstellung bietet einen Einblick in die Geschichte des Hauses und einen Überblick über die vom Studentenwerk Dresden seit 1994 durchgeführten Sanierungsmaßnahmen.
Das Studentenwerk Dresden dankt Fritz Hennig, Lars Hermann und Dr. Karl Unger für die Bereitstellung des Bildmaterials.
Chronologische Übersicht
Jahr
Ereignis
1893
Erbauung der Villa im spätklassizistischen römischen Stil, vermutlich nach Plänen des Architekten Martin Pietzsch
1894
Einzug des Kunstmalers Oskar Simonson-Castelli
nach 1933
Nutzung durch das Luftgaukommando Dresden
1945
Einzug der Malschule von Professor Fritz Leopold Hennig
1949
Nutzung als Gaststätte durch die Handelsorganisation (HO)
1950
Errichtung eines HO-Ladenanbaus mit begehbarer Dachterrasse und eines unterkellerten Saales auf der Rückseite mit Zugang zum Garten
ab 1972
Nutzung durch den „Dresdner Klub der Intelligenz“
1976
Beginn der Nutzung durch die NVA als Offizierskasino und Errichtung eines unterkellerten Wirtschaftsanbaus mit Laderampe und Lastenaufzug zur Gartenseite
1990
Ende der Nutzung durch die NVA, danach Leerstand
1992
Rückgabe der Immobilie an das Bundesvermögensamt
1994
Erwerb der Immobilie durch das Studentenwerk Dresden und Beginn der Nutzung als Studentenhaus, in den Folgejahren bis heute andauernde umfangreiche Sanierungsmaßnahmen
1996-2008
Studentenhaus mit Ausgabemensa
2019
25 Jahre Nutzung als Studentenhaus und Beteiligung an der Veranstaltungsreihe „Lernen Sie uns kennen - 100 Jahre Studentenwerk Dresden“
1893-1929
Die Villa „Tusculum“ wurde 1893, vermutlich nach Plänen des Architekten Martin Pietzsch – der auch die „Villa Illgen“ (Loschwitzer Straße 27) entwarf – erbaut. Auftraggeber war der Maler Oskar Simonson-Castelli, der 1894 das „Tusculum“ bezog und dort bis zu seinem Tode 1929 lebte. Der Bau dieser Villa in Strehlen war kein Zufall, denn das Dorf Strehlen hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem beliebten Viertel der Dresdner Oberschicht entwickelt. Dazu trug neben seiner Lage mit herrlichem Blick auf das Elbtal vor allem ein Brand 1855 bei, bei dem ein Großteil des Dorfes zerstört wurde. Dieser Brand ermöglichte eine Neubebauung. König Albrecht II. ließ sich 1860 eine „königliche Villa“ erbauen, 1870 wurde ein Bauverbot für Gewerbe erlassen. In der Folge errichteten viele Personen von Rang in der Nähe des königlichen Domizils eigene Villen.
Oskar Simonson-Castelli
Oskar Simonson-Castelli war der Sohn von David Simonson, einem Dresdner Kunstmaler und Begründer zweier privater Zeichenakademien. Seine Mutter war eine geborene Castelli. Er studierte in Dresden und nach dem Erhalt der Silbernen Medaille der Dresdner Kunstakademie ab 1890 in München und Paris. Studienreisen führten ihn nach England, Frankreich und Italien. 1893 kehrte er nach Dresden zurück und bezog die Villa „Tusculum“. Er erhielt 1890 die Preismedaille der Internationalen Kunstausstellung von Lyon und führte nach dem Tode seines Vaters 1896 dessen „Malakademie“ im Tusculum weiter. 1899 wurde ihm der Professorentitel der Königlichen Akademie der schönen Künste in Urbino (Italien) verliehen. Er lebte bis zu seinem Tode 1929 in der Villa „Tusculum“.
Der Name „Tusculum“
Tusculum war eine alte Stadt der Etrusker südlich von Rom, in der sich vornehme Römer, wie z.B. Cato, Lucullus, Marius und Caesar, in der spätrepublikanischen Zeit (etwa 130 bis 27 v. Chr.) Villen erbauen ließen. Auch der berühmte Politiker und Philosoph Cicero ließ sich hier 68 v. Chr. eine Villa bauen, der er den Namen „Tusculanum“ verlieh und in der er Zuflucht vor dem hektischen römischen Alltag suchte. Die dort entstandenen philosophischen Betrachtungen über Fragen der praktischen Ethik und Philosophie als „geistigem Hafen“, der dem von Schicksalsschlägen heimgesuchten Menschen überhaupt erst ein glückliches Leben ermöglicht, legte er 45 v. Chr. als „tusculanae disputationes“ schriftlich nieder.
1929-1949
Nach dem Tode Oskar Simonson-Castellis 1929 wurde das Haus weiterhin als Wohnhaus genutzt. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Villa ohne größere Schäden, obwohl Strehlen fast vollständig durch Bombardements zerstört wurde. 1945 wurde das Gebäude vom Rat der Stadt Fritz Leopold Hennig als Wohn- und Lehrräume für seine gerade gegründeten „Lehrwerkstätten für Kunst- und Kunstgewerbe“ zugewiesen. In ihnen wurde das Handwerk der Malerei, insbesondere Techniken der Ölmalerei, aber auch Braundruck und Kaltnadelradierung unterrichtet. Der Unterricht war für die Studenten bis auf das Mitbringen von Heizmaterial im Winter kostenlos.
Infolge der gesellschaftlichen Veränderungen, die der Gründung der DDR vorausgingen, passten die Lehrwerkstätten bald nicht mehr ins politisch gewünschte Bild; zu offensichtlich war ihre Anknüpfung an die Tradition der „bourgeoisen“ freien Dresdner Kunstschulen der Vorkriegszeit. 1949 wurden die Lehrwerkstätten aufgelöst. Nach kleineren Umbauten zog 1950 eine Verkaufseinrichtung der Handelsorganisation (HO) ein.
Professor Fritz Leopold Hennig
Fritz Leopold Henning wurde 1895 in Danzig geboren. Er überlebte zwei Abschüsse im Ersten Weltkrieg, in dem er als Marineflugzeugführer diente und geriet 1916 in britische Kriegsgefangenschaft. Vom rumänischen König wurde ihm 1917 der Bene-Merenti-Orden verliehen. Vermutlich von 1918 bis 1921 studierte er an der Kunstakademie Dresden, lebte danach in Sopot bei Danzig als Grafiker, Kunstmaler und Gestalter.
1945 kam er nach Dresden und gründete die „Lehrwerkstätten für Kunst und Kunstgewerbe“. Für seine Verdienste wurde ihm von der sowjetischen Militärverwaltung der Titel „Professor“ verliehen. Hennig wirkte nicht nur als bildender Künstler, sondern auch als Schriftsteller (3 veröffentliche Romane, unveröffentlichte Kindergeschichten und Komödien). Nach der Auflösung seiner „Lehrwerkstätten“ 1949 arbeitete er als freier Kunstmaler, Grafiker und Autor weiterhin in Dresden und schuf u. a. Gemälde für den stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR, Hermann Kastner und den ersten sächsischen Ministerpräsidenten nach dem Krieg, Rudolf Friedrichs. 1948 wurde eine Operette nach seinen Texten aufgeführt. Bis zu seinem Tode 1951 wirkte er in der Weimarer Goethe- Gesellschaft mit.
1949-1989
Die Nutzung des TUSCULUM ab 1949 durch die HO machte erste Umbauten erforderlich. Ein eingeschossiger Flachanbau mit Fußboden auf Straßenniveau und begehbarer Dachterrasse wurde zur August-Bebel-Straße und ein unterkellerter Saal zum Garten hin errichtet. Die Gestaltung war an das Hauptgebäude angepasst, sodass die historische Grundsubstanz mit dem klassischen, fast quadratischen Grundriss noch ersichtlich war. Das Flair eines bildungsbürgerlichen Wohnhauses mit Kunstateliers und Salon hingegen war verloren. Der Einzug des „Dresdner Klub der Intelligenz“ 1972 knüpfte zwar noch einmal an die bildungsbürgerliche Tradition des Hauses an, blieb aber ein Zwischenspiel.
1976 zog die NVA ein und die folgenden intensiven Umbauten und auch Anbauten zur Umnutzung als Offizierskasino zerstörten einen Großteil der historischen Bausubstanz. Im Dachgeschoss wurde eine Belüftungsanlage eingebaut und Installationen in einem neuen Zwischenboden verlegt, der durch den Verschluss des Lichthofes mit einer Zwischendecke entstanden war. Dabei wurde ein Großteil des Stuckwerkes zerstört. Zur Gartenseite hin wurden ein Toilettentrakt und eine Laderampe angebaut und die Außenanlagen umgestaltet. Die Villa im spätklassischen italienischen Neorenaissance-Stil erhielt den Chic der 70er-Jahre, der innen teilweise noch bis heute erhalten ist.
Der Klub der Intelligenz
Die „Klubs der Intelligenz“ wurden nach einer vom Kulturbund der DDR herausgegebenen Richtlinie als Orte des interdisziplinären Austausches zwischen bedeutenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur in vielen Städten der DDR gegründet.
In Dresden gab es mehrere solcher Klubs, wie z. B. den 1953 gegründeten „Klub der Intelligenz Viktor Klemperer" mit vorwiegend Künstlern und Lehrern als Mitgliedern. 1957 gründete Manfred von Ardenne einen „Dresdner Klub“, in den die (bürgerliche) wissenschaftliche und geistige Elite berufen wurde, was als hohe gesellschaftliche Auszeichnung galt. Im „Carus- Klub“ war die höhere Dresdner Ärzteschaft versammelt. Darüber hinaus gab es noch weitere Klubs.
Aufgrund seiner bürgerlich-freigeistigen Ausrichtung, in der auch (mit Humor verkleidete) Kritik an der Politik der Staatsführung geäußert wurde, wurde der „Dresdner Klub“ vom MfS beobachtet und 1972 mit dem „Carus-Klub“ und dem „Klub der Intelligenz“ zum „Dresdner Klub der Intelligenz“ vereinigt und dem Kulturbund der DDR unterstellt.
Sanierung 1990-2010
Das seit 1990 leer stehende Haus wurde 1994 vom Studentenwerk Dresden erworben, um hier die alte Tradition eines „Studentenhauses“ wiederzubeleben. In den Jahren darauf erfolgten schrittweise größere und kleinere Sanierungsmaßnahmen unter Leitung des Architekten Dr. Karl Unger, die bis heute andauern. Auch zukünftig gibt es noch einiges zu tun.
1996 bis 2008 wurde im Erdgeschoss eine Essenausgabe-Mensa für die Studenten der Wundtstraße eingerichtet und dafür Elektrik, Heizung und Belüftung instandgesetzt und die Fenster erneuert. Im Dachgeschoss wurden studentische Proberäume eingerichtet.
Studentenhäuser in Deutschland
Nach der „Weimarer Revolution“ 1918 kam es zu einem großen Ansturm neuer Studenten an den Universitäten, da diese vormals Studenten aus adeligen und gutbürgerlichen Kreisen vorbehalten waren. Die heute selbstverständliche „studentische“ Infrastruktur gab es nicht. Viele Studenten litten unter finanziell bedingten Problemen und „studentische“ Orte zum geistigen und sozialen Austausch oder für künstlerische Eigenbetätigung gab es nicht. Zudem wohnten die meisten Studenten privat zur Untermiete und das Mitbringen von Gästen, nicht nur des anderen Geschlechts, war verboten. Auch waren die zur Linderung studentischer Probleme entstandenen Organisationen räumlich oft weit voneinander entfernt. Die Errichtung von Studentenhäusern, an denen unter einem Dach Mensa, Bibliothek, Räume für Sport, soziale Betätigung, studentische Selbsthilfe und Verwaltung und natürlich auch für studentisches Feiern vereint waren, sollte Abhilfe schaffen. Die ersten Studentenhäuser entstanden 1923 und 1924 in Bonn und Aachen. 1925 wurde in der Mommsenstraße in Dresden ein großzügig geplantes Studentenhaus eröffnet.
Sanierung Klub Wu5 2011/12
2011/2012 wurden der alte Ladenanbau der HO-Verkaufsstelle und die zugehörigen, im Kellerbereich dahinter liegenden Lagerräume für eine Nutzung durch den Studentenclub Wu5 umgebaut. Dieser war der letzte von ursprünglich drei Studentenclubs in der Wundtstraße und benötigte in Folge der Sanierung der Wohnheime ein neues Domizil.
Für die Sanierungsmaßnahme investierte das Studentenwerk Dresden über 400.000 Euro.
Studentenclubs
Studentenclubs vereinen die Aspekte einer Kultureinrichtung, Kneipe, Disco und Party-Location in sich und werden überwiegend durch das ehrenamtliche Engagement ihrer studentischen Mitglieder betrieben. Sie befinden sich vor allem in den neuen Bundesländern. Die meisten wurden schon zu DDR-Zeiten gegründet; etliche sind über 50 Jahre alt. Dresden gilt aufgrund seiner hohen Anzahl solcher Clubs (heute 14, in den 1990er-Jahren über 20) als „Hauptstadt der Studentenclubs“. Der Studentenclub Wu5 existiert mindestens seit 1980 als eigenständiger Club. Er war in der Wundtstraße 5 beheimatet, bis er 2012 in den ehemaligen HO-Ladenanbau im Erdgeschoss des TUSCULUM einzog.
Sanierung 2011-2017
Parallel zur Sanierung der für den Club Wu5 angedachten Bereiche des Kellers wurden 2012 auch andere Bereiche des Kellers teilsaniert, um dort Räume für den Studentischen Fotoclub und ein Lager für die TU Big Band zu schaffen.
Ebenfalls 2012 wurde auf dem hinzugepachteten Grundstück hinter dem TUSCULUM die Zufahrt von der Teplitzer Straße erneuert, Grünanlagen teilweise neu gestaltet und Parkplätze angelegt.
2013 wurde ein Teil des Sanitärtraktes erneuert und ein Ausgang zur Gartenseite errichtet. Dieser wurde 2016 mit einem Lift ergänzt, um den barrierefreien Zutritt zu ermöglichen.
2016 konnten mit Fördermitteln des Freistaates Sachsen zwei schallgedämmte Bandproberäume mit eigener Belüftungsanlage im Keller eingerichtet werden. 2017 wurde, mit Förderung der Landeshauptstadt, eine induktive Höranlage im Hauptsaal des Erdgeschosses installiert.
Induktive Höranlage
Eine induktive Höranlage ist eine technische Einrichtung, die Audiosignale in elektrische Signale umwandelt und diese über eine im Raum verlegte Induktionsschleife aussendet. Mit speziellen Hörgeräten, die eine eingebaute Empfangsspule haben (mittlerweile in allen Hörgeräten gängig) können diese Signale störungsfrei empfangen werden. Dadurch können Musik und Redebeiträge für schwerhörige Menschen zugänglich gemacht werden; primär weil störende Neben- und Hintergrundgeräusche dabei nicht mit übertragen werden.
Sanierung Dach 2017/18
Zwischen Juni 2017 und April 2018 erfolgte die größte Sanierungsmaßnahme seit Übernahme des Hauses durch das Studentenwerk 1994.
Das Dachgeschoss wurde umfassend erneuert und dabei das historische Schindeldach wiederhergestellt. Zudem wurden eine Außentreppe angebaut, Toiletten eingebaut und die Heizungen erneuert.
Die mittlerweile veraltete und viel Platz wegnehmende Belüftungstechnik für das Erdgeschoss, die sich größtenteils im Dachgeschoss und Keller befand, wurde rückgebaut und durch eine moderne Anlage ersetzt.
Die Wiederherstellung des historischen Lichthofes durch Entfernung der 1976 eingezogenen Zwischendecke und teilweisen Rekonstruktion des Stuckwerkes konnte leider noch nicht realisiert werden.
Ausblick
Aktuell wird das Studentenhaus TUSCULUM von etwa 20 studentischen Einzelnutzern und künstlerischen Gruppen genutzt, darunter die TU Big Band, die Theatergruppe Bühnamit, die Vokalgruppe VIP und das Kindertanzstudio der TU Dresden. Es finden Tangokurse und -abende des Universitätssportzentrums statt. Dafür stehen 2 Bandproberäume im Keller (ausgestattet mit Schlagzeugen und E-Piano), 6 „unplugged“-Proberäume im Dachgeschoss und 3 Säle im Erdgeschoss zur Verfügung. Im Keller ist der „Studentische Fotoclub Dresden“ mit analogem Fotolabor und Klubraum beheimatet. Zudem kann das Haus an Donnerstagen und Samstagen sowohl von Studenten als auch Nicht-Studenten für Veranstaltungen aller Art günstig gemietet werden.
Trotz der vielen Sanierungsmaßnahmen ist noch nicht alles geschafft. Die Grünflächen hinter dem TUSCULUM müssen noch neu gestaltet und der historische Lichthof restauriert werden. Im Erdgeschoss soll eine neue Garderobe eingebaut werden, die Parkettböden müssen erneuert und die Beleuchtung vereinheitlicht werden. Auch im Keller gibt es noch viel zu sanieren. Ein Haus, insbesondere dieser Größe und mit so starker Nutzung, ist eigentlich immer irgendwo „Baustelle“, so dass auch in den nächsten 25 Jahren genügend Arbeit wartet.